Während meiner ‚Nomaden‘-Zeit verschlug es mich nach Freiburg im Breisgau. Dort sollte ich die Fasnet kennen lernen.
Als Nordlicht kam ich zum ersten Mal in den Genuss einen Rosenmontagszug Live und in Farbe mitzuerleben.
Ich begab mich in die Freiburger Innenstadt und gesellte mich zu den anderen Zuschauern. Einige waren verkleidet, andere ein wenig geschminkt. Und ich?
Ich trug einen warmen Mantel, Handschuhe und Winterstiefel, denn es war bannig kalt und ich fror!
Das blieb nicht unbemerkt.
Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Der kräftige Druck ließ mich herumfahren. Mein Herz schlug wild, als ich in eine grässliche Fratze blickte. Ein paar Sekunden verstrichen, bis ich realisierte, dass, wer immer es auch war, eine Maske trug.
„Sell is gud gäge de Käld. Trink Mädchen!“, forderte mich eine tiefe, dumpf klingende Stimme auf und drückte mir eine Flasche Obstbrand in die Hand.
Wie konnte ich dem widerstehen? Danach schüttelte es mich noch mehr und ihn schüttelte es vor Lachen.
Um mich herum begannen die Menschen den Blick in eine Richtung zu wenden.
„Sie kommen!“ rief eine weibliche Stimme. „Siesch se?“ Fragte eine Mutter ihren kleinen Sohn am Straßenrand, der versuchte die Absperrung zu durchbrechen um seinen Blick in die Ferne schweifen zu lassen.
Und plötzlich waren sie da! Und mit ihnen ertönte ein „Narri!“
Um mich herum schien sich ein Orkan zu entwickeln der mit einem „Narro!“ antwortete. Der Umzug war im vollen Gange. Jedoch nicht, wie ich ihn aus dem Fernsehen kannte. Hier gab es keine großen Umzugswagen mit politischen Floskeln. Hier wurde Fasnet in seiner Ursprungsform gefeiert. Die Zunften präsentierten ihre wundervollen bunten, kostbaren und von Hand geschneiderten Kostüme. Viele von ihnen hatten verschieden große Schellen, die an jeder Ecke in den unterschiedlichsten Tönen zu hören waren. Sie waren überall! Drängelten sich sogar durch das Publikum! Die Narren trieben ihren Schabernack mit den Schaulustigen. Wer sich wehrte, hatte schlechte Karten.
Die Narren machten sich einen Spass daraus, sich jemanden zu greifen und ihn mit sich im Getümmel hinterher zu schleifen.
Einige hätten auch in Horrorfilmen mitmachen können, so Furcht erregend sahen ihre Masken aus.
Der gruselige Typ neben mir wedelte erneut mit der Flasche Obstbrand vor meiner Nase, doch ich winkte freundlich ab. Erst einmal musste ich meine Neugierde befriedigen.
„Sagen Sie, was bedeutet dieses Narri-Narro?“ Ich erntete mitleidsvolle Blicke von den anderen Personen, die um mich herum standen und mich anblickten, als käme ich von einem anderen Stern.
„Du bischt net von do?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Wo kommscht denn her?“
„Hamburg.“
„Fischkopp! Fische hen immer Durscht. Jetzt trinkscht erst mol und dann gugge mer weider.“
Wie durch Magie hatte sich die Flasche in meine Hand gelegt. Während ich einen kräftigen Schluck nahm, bekam ich die Erklärung.
(Da viele Nordlichter dem Badischen nicht mächtig sind, gebe ich seine Erklärung auf Hochdeutsch wieder)
„In Freiburg sagen wir Narri-Narro. Das ist einer von vielen Narrenrufen. Dabei geht es darum, dass die Narren der Fasnetzünfte den ’normalen‘ Bürgern eine Art Begrüßungsruf zurufen. Mit dem wird signalisiert, dass die Narren jetzt das Sagen haben, also dass jetzt Fasnet ist. Die Bürger zeigen ihr Einverständnis und ihre Bereitschaft mitzufeiern, auch wenn sie keiner Narrenzunft angehören, mit einem Antwortruf. So ist also der erste Teil „Narri“ eine Art Aufforderung der Mitglieder der Zünfte an die Zuschauer des Umzugs, ihrer Fröhlichkeit Ausdruck zu geben, dazu zugehören und mitzufeiern. Die Zuschauer bestätigen diesen Ruf mit ihrer Antwort „Narro“.
Als ich mich erneut schüttelte und husten musste, klatschte eine Hand auf meinem Rücken und die Spiele begannen.
Eure Maren
P.S. Bei allen Muttersprachlern des Badischen möchte ich mich auf diesem Wege entschuldigen, sollte ich ihren Dialekt nicht korrekt wiedergegeben haben. Ich bitte um Nachsicht, da es sich hier um eine meiner Erinnerungen handelt.