Marvel’s Jessica Jones

Wie geht man gegen jemanden vor, der anderen problemlos seinen Willen aufzwingen kann?

Ein spannender Stoff für eine Serie, dachte ich mir. Daraufhin sah ich mir die erste Staffel Jessica Jones mit ihrem Widersacher Kilgrave an.

Kilgrave ist ein Kontrollfreak und kontrolliert Menschen mit der Kraft seiner Gedanken.
Als Kind von seinen Eltern als Versuchsobjekt missbraucht, entwickelte er diese Kräfte, nachdem sie ihm ein Serum injiziert hatten.

Die Frauen liegen ihm zu Füßen. Mal lebendig. Mal tot. Je nachdem wonach ihm gelüstet. Entweder hat er seinen Spaß mit ihnen, oder er lässt sie sich selbst die Kehle durchschneiden, sollte er ihnen überdrüssig werden. Er kann seinem ‚Opfer‘ den Wunsch eintrichtern, jemanden zu erschießen, und muss bei dessen Ausführung noch nicht einmal in der Nähe sein. Einmal diesen Befehl ins Gehirn gepflanzt, macht man was Kilgrave von einem verlangt.

Erst nachdem die Missetat begannen wurde, löst sich der Bann. Das Opfer, oder in diesem Fall die Mörderin, kann sich nicht dagegen wehren.

Das Problem: Die Polizei kann ihm nicht habhaft werden. Er hinterlässt keine Fingerabdrücke, vermeidet Kameras, oder ist so weit vom Tatort entfernt, dass man ihm die Tat nie nachweisen kann.

Die Lösung: Jessica Jones.

Sie ist eine ausgezeichnete Detektivin, ist super stark, kann hoch springen und hat ein Alkoholproblem.
Sie selbst befand sich eine Zeit lang unter Kilgraves Kontrolle und hatte jemanden umgebracht.
Nun versucht sie ihm, und seinem Einfluss zu entkommen, bis Hope (gespielt von Erin Moriarty) ihre Eltern erschießt und dafür in den Knast wandert.

Jessica Jones beschließt, dem ganzen ein Ende zu machen. Sie will, dass dieser gefährliche Mann aus dem Verkehr gezogen wird. Doch sie braucht ihn lebend, damit sie Hopes Unschuld beweisen kann.

Kilgrave hingegen setzt alle Hebel in Bewegung, weil er wieder mit Jessica zusammen sein möchte. Die alten Zeiten zurückholen. Er richtet sogar das Haus, in dem sie ihre Jugend verbracht hatte, her. Jessica lässt sich widerwillig darauf ein. Sie hofft, dass sie genug Beweise sammeln kann, um ihn endlich aus dem Weg zu räumen. Doch Kilgrave benutzt ein Druckmittel. Wenn Jessica nicht bei ihm bleibt, sollen die Angestellten sich gegenseitig die Haut vom Leib reißen. Das dies nicht nur eine leere Drohung ist, hatte er zuvor schon mehrmals bewiesen.
Da Jessica noch immer ihr Ziel verfolgt, Hope aus dem Gefängnis zu holen, bleibt sie für einige Tage bei ihm.

Unterstützung erhält Jessica Jones von einer Radiosprecherin, einer Anwältin, einem Polizisten, einem Junkie, dem sie wiederum hilft clean zu werden, sowie einem Barkeeper, der ebenfalls besondere Kräfte hat. Er ist unverwundbar. Doch ihn vergrault sie, als sie ihm gesteht, dass sie für den Tod seiner Frau verantwortlich ist, während sie unter Kilgraves Einfluss stand.

Jessica Jones schafft es tatsächlich, Kilgrave in ihre Gewalt zu bekommen.

Und genau hier liegt der Schwachpunkt, und den Schreibern scheint jegliche menschliche Logik abhanden gekommen zu sein. Die Protagonisten wissen, zu was er fähig ist, und doch fallen sie immer wieder auf seine Tricks herein.

Einen Menschen mit diesen Kräften, den kann man nicht vor Gericht bringen, ihn verurteilen und ins Gefängnis stecken.

Wie lange soll er denn dort drin bleiben?

Man müsste Kilgrave auf ewig knebeln, ans Bett fesseln und künstlich ernähren, denn spätestens wenn der erste Wärter die Zellentür passiert, würde Kilgrave ihn unter seine Kontrolle bringen. Es wäre für ihn ein Leichtes den Wärter zu zwingen, ihn aus dem Gefängnis zu lassen, da kein normaler Mensch in der Lage ist, Kilgraves Gedankenkontrolle zu widerstehen.

Ich mag tragische Helden und fand die Idee toll. Leider ist die Gestaltung des Plots eher fantasielos.

Statt eine überdimensional angelegte Jagd auf Kilgrave zu veranstalten, die in einem anständigen Showdown endet (wobei ich mich hier stark aus dem Fenster lehne, da ich es nicht geschafft habe, die Staffel bis zum Ende anzusehen), fällt er Jessica Jones und ihren Helfern mehr als einmal in die Hände. Obwohl ihre Helfer um seine Kraft und sein Tun wissen, bringt ihn keiner um. Stattdessen sperrt man ihn in ein hermetisch abgeriegeltes Gefängnis. Kommunikation ist nur über ein Mikrophon möglich.

Natürlich entkommt er daraus, weil die Anwältin sich seine Kräfte zu Nutze machen möchte um ihre persönlichen Probleme mit ihrer Frau, einer Ärztin, zu beseitigen.
Hier ist Marvel sehr tolerant, handelt es sich in diesem Fall um eine lesbische Ehe.
Mr. Gedankenkontrolle zwingt schließlich die Ärztin dazu, der Anwältin 1000 Messerschnitte zuzufügen.

Mein Fazit:

Die Staffel hätte mit weniger Folgen sehr viel besser sein können. Nach Folge 10 von 13 habe ich aufgegeben.

Natürlich ist an jemanden mit Superkräften nicht einfach heranzukommen. Doch wer solch einen Gegner erschafft, der sollte sich im Vorwege Gedanken machen, wie man diesem Übermenschen begegnet, ihm das Handwerk legen kann, ohne dabei auf die Naivität der erwachsenen Zuschauer zu hoffen; denn ein Zehnjähriger wird sich diese Serie kaum ansehen.
Dazu ist sie zu düster gemacht, und bietet zu wenig für das jüngere Comic lesende Publikum.

Ich hätte nicht gezögert, Kilgrave eine Kugel zu verpassen, wenn sich mir die erstbeste Gelegenheit dazu bieten würde. Weshalb die Protagonisten noch immer an das Gute in Kilgrave glauben, bleibt mir ein Rätsel.  Schließlich haben wir es hier mit intelligenten Menschen zu tun, auch wenn sie teilweise emotional verkrüppelt sind.
Diese kleine Gruppe weiß zu was Kilgrave fähig ist. Obwohl er einige Leben auf dem Gewissen hat, schaffen sie es nur mühsam bis gar nicht, ihn aus dem Weg zu räumen.
Meines Erachtens wird hier viel zu lange auf den Showdown hingearbeitet.
Die Szenen sind zum größten Teil zu aufgebauscht und haben kaum Substanz. Spannung kam bei mir nicht wirklich auf.

Jessica Jones, eine tragische Heldin, die bereits am Rande des Abgrunds steht.
Die vielen Facetten einer gebrochenen Frau werden von Krysten Ritter (Apartment 23, Gilmore Girls, 27 Dresses) hervorragend gespielt.  Sie wandelt auf dem Pfad zwischen Wiedergutmachung an der Menschheit und Vergeltung.

David Tennant verkörpert Kilgrave. Den Mann, der Jessica Jones liebt, und schwebt zwischen liebevoller Hingabe und Wahnsinn.
So herrlich wahnsinnig, dass man fast Mitleid mit ihm bekommen könnte. 😉

Auch Mike Colter, der den unverwundbaren Barkeeper Luke Cage spielt, ist nicht nur nett anzusehen, sondern überzeugt mit seiner Performance.

Rachel Taylor spielt die Radiomoderatorin Patsy Walker. Die Szene, in der Kilgrave ihr befiehlt sich eine Kugel durch den Kopf zu jagen, bleibt mir unvergessen. Wie pustet man sich das Hirn aus dem Schädel, wenn das Magazin leer ist?
Die Verzweiflung, diese Vorgabe nicht erfüllen zu können, ist einfach klasse gespielt. Es ist nicht die einzige Szene, die sie überzeugend transportiert.

Schade, dass sich die Drehbuchautoren nicht dieselbe Mühe beim Schreiben gemacht haben, wie die Schauspieler bei ihrer Darbietung. Ein wesentlicher Anteil der Episoden schafft es inhaltlich nicht, eine Katze hinter dem Ofen hervorzulocken.

Hier hätte ich vom Marvel Universum etwas mehr Einfallsreichtum erwartet.
Es hat den Anschein, dass der Gegner Kilgrave zu übermächtig ist, und den Autoren jeglichen freien Willen für eine anständige Story genommen hat.

Für mich die bisher schwächste Marvel Story, die verfilmt wurde.

Eure
Maren